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Krankheitskosten zu 100% abzugsfähig?

von Armin Grohmann

Guten Tag,

Krankheitskosten sind – wie auch andere außergewöhnliche Belastungen – steuerlich grundsätzlich abzugsfähig. Der Gesetzgeber hat jedoch ins Einkommensteuergesetz (EStG) geschrieben, dass diese zuvor um die sogenannte „zumutbare Belastung“ zu kürzen sind. Dies führt in den meisten Fällen dazu, dass sich keine steuerliche Entlastung ergibt. Ein Steuerbürger fühlte sich dadurch ungerecht behandelt und klagte sich durch alle Instanzen. Mit Urteil vom 02.09.15 (VI R 32/13) hat ihn der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch abblitzen lassen. Beeindruckt ist unser „Held“ dadurch nicht: Er hat Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht. Wie sind seine Chancen?

Der BFH hat in seinem Urteil festgestellt, „dass Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung dem Grunde nach nicht nur die Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch den eigentlichen Sachaufwand für eine Krankenversorgung umfassen“. Diese Äußerung ist bemerkenswert, da sich der BFH damit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung wendet. Im Ergebnis bedeutet dies, dass gesetzliche Zuzahlungen nicht anders zu behandeln sind als Versicherungsbeiträge im Umfang der Basisversorgung. Dies führt nach Ansicht des Kläger-Anwalts dazu, dass Zuzahlungen steuerlich unbeschränkt abzugsfähig seien. Dies wiederum sieht der BFH anders: Für ihn zählen gesetzliche Zuzahlungen nicht zum Existenzminimum, da selbst Sozialleistungsempfänger ihren Eigenanteil zu den Zuzahlungen beizusteuern haben.

Diese Sichtweise erscheint nicht systemgerecht: Ein Sozialleistungsempfänger kann – über seinen Eigenanteil an den Zuzahlungen hinaus – auch Bedarf auf zusätzliche Unterstützung aus allgemeinen Haushaltsmitteln geltend machen. Nur so bleibt sein Existenzminimum garantiert.

Bereits am 13.02.08 (2 BvL 1/06) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass „für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen“ sei. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers im Sozialgesetzbuch (SGB) soll nun auch ins Steuerrecht umgesetzt werden. Und zwar dadurch, dass Beträge, die den Eigenanteil der Sozialleistungsempfänger zu den Zuzahlungen übersteigen, vollständig – also ohne Abzug der zumutbaren Belastung – zum steuerlichen Abzug zugelassen werden.

Wir drücken dem Protagonisten nicht nur fest die Daumen, sondern halten auch insoweit Ihre Einkommensteuerbescheide offen. Sollte das BVerfG also ein Einsehen haben, profitieren Sie davon automatisch.

Eine gute Zeit wünscht Ihnen

Ihr Frank Hartmann

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